Reiche, Stände, Solidarität
Dem hl. Röm. Reich deutscher Nation spielte im Zuge der Türkengefahr eine besondere Rolle. Mit der Funktion als Schutz- und Schirmherr des fortgeführten heiligen römischen Reiches sah sich der Kaiser als Beschützer der Christenheit. Maximilian I, als auch sein Nachfolger Karl V nahmen diese Aufgabe in Anspruch. In Bezug auf die Türkenbedrohung des 16. Jahrhunderts hätte das eine Verpflichtung der Zurückdrängung der osmanischen Streitkräfte bedeutet, was weder Maximilian I, noch Karl V vollbrachten. Diese Verpflichtung als Schirmherr der Christenheit galt auch zur Herrschaftslegitimation.
Karl V trat die Herrschaft der österreichischen Erblanden seinem Bruder Ferdinand I (1) ab, womit gleichzeitig eine Distanzierung des Türkenkonflikt seitens Karl V zu beobachten ist. Wegen der vernichtenden Niederlage des ungarisch böhmischen Königs Ludwigs II bei Mohács, wurde Johann Zápolya zum neuen ungarischen König gewählt. Der König der österreichischen Erblanden Ferdinand I akzeptierte diesen jedoch nicht und ließ sich von einer Minderheit des ungarischen Adels zum König wählen. Somit war ein Dreikampf um das Königreich Ungarn entbrannt, der schließlich auch in einer Dreiteilung endete. Der durch die Habsburger besetzte westliche Teil Ungarns konnte nicht einmal durch ein Bündnis zwischen Süleyman und Zápolya dem röm. deutschen Kaiser entrissen werden. Somit bestand das Land aus einem königlichen Ungarn, dem osmanischen Ungarn und dem Fürstentum Siebenbürgern, das weitgehende Selbstständigkeit genoss, obwohl es der Pforte unterstand (2). Selbst der Tod Zápolyas 1540 änderte nichts an der Situation des Landes, da die habsburgerischen und osmanischen Grenzen zu festgefahren waren um eine Machtverschiebung herbeizuführen.
Die Situation in Ungarn beeinflusste auch noch andere europäische Mächte. Ferdinand I war bei jedem Zug gegen die Türken auf die Hilfe des hl. Röm. Reichs deutscher Nation angewiesen. Kaiser Karl V ließ Ferdinand in der Türkenfrage freie Hand, da er mit Konflikten am Mittelmeer sowie späteren religiösen Konflikten im Inneren des Reiches beschäftigt war. Im hl. Röm. Reich deutscher Nation vertreten die Reichsstände eine eigene Machtposition, auf die Ferdinand angewiesen war. Er benötigte militärische und finanzielle Hilfe um gegen die Türken bestehen zu können. Diese Mittel wurden mit religiösen Zugeständnissen den Protestanten gegenüber ermöglicht, was eine Schwächung des Reiches im Sinne Karls V bedeutete, der sich eine einheitliche katholische Kirche wünschte. Somit wurde am Reichstag zu Augsburg die „eilende Türkenhilfe“ vereinbart, die eine Stärke von 40.000 Fußknechten und 8000 Reisige umfasste. Nach der gescheiterten Wiener Türkenbelagerung 1529 zog Sultan Süleyman I 1532 erneut aus Konstantinopel Richtung Wien. Im Gegenzug zum „Nürnberger Aufstand“ gewährten die Reichsstände eine Soforthilfe von 30.000 Fußknechten und 6000 Reitern, die somit größte eilende Türkenhilfe aller Zeiten. Hinzu kam noch Unterstützung seitens der böhmischen Stände, den österreichischen Erblanden und dem Papst Clemens VII. Insgesamt umfasste dieses Heer gegen die Osmanen 120.000 Krieger. Da die Türken jedoch nicht bis nach Wien verrückten kam es zu keinem direkten Zusammenstoß, sondern nur zu kleineren Randschlachten von Splittergruppen. Die Türken zogen ab und Ferdinand konnte das Reichsheer nicht für eine Eroberung Ungarns verwenden, da das Königreich Ungarn kein Bestandteil des Reiches war und somit das Ziel nur habsburgerischen Expansionspläne unterstützt hätte. Dies zeigt den Unterschied zwischen der ständischen Realität und der habsburgerischen Universalidee(3). Frankreich beteiligte sich nicht direkt am ungarischen Konflikt, jedoch vertraten sie fortwährend eine antihabsburgerische Politik, die mit dem Bündnis zwischen Frankreich und dem osmanischen Reich 1536 einen ihrer Höhepunkte fand. Frankreich wirkte somit direkt gegen einen europäisch christlichen Einheitsgedanken, da er durch das Bündnis mit dem Osmanischen Reich gegen die Habsburger machtpolitische Einflüsse in ihrer Wichtigkeit über die der christlichen Solidarität stellte.
Die Entwicklung zwischen den Türken und den Habsburgern war von immerwährenden Brüchen von bestehenden Waffenstillständen durchwachsen und brachte eine immer massivere Verstärkung der Militärgrenze mit sich. Nach Ferdinands Tod führte Maximilian II diese Politik fort. Eine von ihm erforderte Türkenhilfe mittels der Reichsstände im Jahr 1566 brachte nicht die erwünschte Wirkung und drängte nur zu einem erneuten Waffenstillstand. Schließlich verwarf Maximilian die Idee eines Zugs gegen die Türken über Ungarn, da er diese Option nicht einmal im Zuge der heiligen Liga 1571 in Erwägung zog (4).
Dieses Vorgehen der heiligen Liga gegen die Osmanen lag einer gesamtchristlichen Idee, eines Vorgehens auf Land- und Seeweg zugrunde. Am 20. Mai 1571 wurde diese Liga zwischen Papst Pius V, Spanien, Venedig, Genua, dem Herzogtum Savoyen, Parma, Urbino und Florenz geschlossen. Die ursprüngliche Überlegung der Gründung war die Rettung Zyperns vor einer osmanischen Eroberung, um die Vormachtstellung im Mittelmeerraum nicht zu verlieren. Da Zypern jedoch bereits im August 1571 erobert wurde kam diese Rettung zu spät, die heilige Allianz konnte jedoch einen Sieg gegen die osmanische Flotte in der Seeschlacht von Lepanto erringen. Dieser Sieg wurde diplomatisch nicht ausreichend ausgenützt, womit die Türken die Vormachtstellung am Mittelmeer behielten. Ein Grund für die weitere Inaktivität der heiligen Allianz nach der Seeschlacht von Lepanto war der Abzugs Spaniens, um den Krieg in Tunesien zu unterstützen(5). Das hl. Römische Reich verharrte lieber in seinen alten Friedensabkommen mit dem osmanischen Reich und schloss sich daher der heiligen Allianz nicht an. Frankreich mied den Beitritt, um seine guten Beziehungen zur Pforte nicht aufs Spiel zu setzen. Diese heilige Allianz ist trotz alle dem eine gemeinsame europäische Aktion zur Lösung des Türkenproblems, das auf einem christlichen Fundament aufbaut. Der Abzug Spanien, sowie dessen Beweggründe zum Beitritt, die Vormachtstellung am Mittelmeer zu gewinnen, bauten keinesfalls auf einer christlichen Solidarität auf. Dieses Ausbleiben wird durch die beiden wichtigsten weltlichen Vertreter der Christenheit, nämlich Frankreich und dem hl. röm. Reich, ein weiteres Mal bestätigt.
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(1) Ferdinand I: geb. 1503; gest. 1564; Regent der österreichischen Erblande ab 1521, König von Böhmen und Ungarn ab 1526; Kaiser des hl. Röm. Reich dt. Nation von 1558-64
(2) Bertrand Michael Buchmann, Österreich und das osmanische Reich. Eine bilaterale Geschichte, 1999 Wien; Die Dreiteilung Ungarns 98ff
(3) Bertrand Michael Buchmann, Österreich und das osmanische Reich. Eine bilaterale Geschichte, 1999 Wien; Neue Türkengefahr 1532; Seite 93ff
(4) Almut Höfert; Den Feind beschreiben, „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanisches Reich 1450-1600; 2003 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main; Seite 112f
(5) Ekkehard Eickhoff, Rudolf Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645-1700, 1970 München
Karl V trat die Herrschaft der österreichischen Erblanden seinem Bruder Ferdinand I (1) ab, womit gleichzeitig eine Distanzierung des Türkenkonflikt seitens Karl V zu beobachten ist. Wegen der vernichtenden Niederlage des ungarisch böhmischen Königs Ludwigs II bei Mohács, wurde Johann Zápolya zum neuen ungarischen König gewählt. Der König der österreichischen Erblanden Ferdinand I akzeptierte diesen jedoch nicht und ließ sich von einer Minderheit des ungarischen Adels zum König wählen. Somit war ein Dreikampf um das Königreich Ungarn entbrannt, der schließlich auch in einer Dreiteilung endete. Der durch die Habsburger besetzte westliche Teil Ungarns konnte nicht einmal durch ein Bündnis zwischen Süleyman und Zápolya dem röm. deutschen Kaiser entrissen werden. Somit bestand das Land aus einem königlichen Ungarn, dem osmanischen Ungarn und dem Fürstentum Siebenbürgern, das weitgehende Selbstständigkeit genoss, obwohl es der Pforte unterstand (2). Selbst der Tod Zápolyas 1540 änderte nichts an der Situation des Landes, da die habsburgerischen und osmanischen Grenzen zu festgefahren waren um eine Machtverschiebung herbeizuführen.
Die Situation in Ungarn beeinflusste auch noch andere europäische Mächte. Ferdinand I war bei jedem Zug gegen die Türken auf die Hilfe des hl. Röm. Reichs deutscher Nation angewiesen. Kaiser Karl V ließ Ferdinand in der Türkenfrage freie Hand, da er mit Konflikten am Mittelmeer sowie späteren religiösen Konflikten im Inneren des Reiches beschäftigt war. Im hl. Röm. Reich deutscher Nation vertreten die Reichsstände eine eigene Machtposition, auf die Ferdinand angewiesen war. Er benötigte militärische und finanzielle Hilfe um gegen die Türken bestehen zu können. Diese Mittel wurden mit religiösen Zugeständnissen den Protestanten gegenüber ermöglicht, was eine Schwächung des Reiches im Sinne Karls V bedeutete, der sich eine einheitliche katholische Kirche wünschte. Somit wurde am Reichstag zu Augsburg die „eilende Türkenhilfe“ vereinbart, die eine Stärke von 40.000 Fußknechten und 8000 Reisige umfasste. Nach der gescheiterten Wiener Türkenbelagerung 1529 zog Sultan Süleyman I 1532 erneut aus Konstantinopel Richtung Wien. Im Gegenzug zum „Nürnberger Aufstand“ gewährten die Reichsstände eine Soforthilfe von 30.000 Fußknechten und 6000 Reitern, die somit größte eilende Türkenhilfe aller Zeiten. Hinzu kam noch Unterstützung seitens der böhmischen Stände, den österreichischen Erblanden und dem Papst Clemens VII. Insgesamt umfasste dieses Heer gegen die Osmanen 120.000 Krieger. Da die Türken jedoch nicht bis nach Wien verrückten kam es zu keinem direkten Zusammenstoß, sondern nur zu kleineren Randschlachten von Splittergruppen. Die Türken zogen ab und Ferdinand konnte das Reichsheer nicht für eine Eroberung Ungarns verwenden, da das Königreich Ungarn kein Bestandteil des Reiches war und somit das Ziel nur habsburgerischen Expansionspläne unterstützt hätte. Dies zeigt den Unterschied zwischen der ständischen Realität und der habsburgerischen Universalidee(3). Frankreich beteiligte sich nicht direkt am ungarischen Konflikt, jedoch vertraten sie fortwährend eine antihabsburgerische Politik, die mit dem Bündnis zwischen Frankreich und dem osmanischen Reich 1536 einen ihrer Höhepunkte fand. Frankreich wirkte somit direkt gegen einen europäisch christlichen Einheitsgedanken, da er durch das Bündnis mit dem Osmanischen Reich gegen die Habsburger machtpolitische Einflüsse in ihrer Wichtigkeit über die der christlichen Solidarität stellte.
Die Entwicklung zwischen den Türken und den Habsburgern war von immerwährenden Brüchen von bestehenden Waffenstillständen durchwachsen und brachte eine immer massivere Verstärkung der Militärgrenze mit sich. Nach Ferdinands Tod führte Maximilian II diese Politik fort. Eine von ihm erforderte Türkenhilfe mittels der Reichsstände im Jahr 1566 brachte nicht die erwünschte Wirkung und drängte nur zu einem erneuten Waffenstillstand. Schließlich verwarf Maximilian die Idee eines Zugs gegen die Türken über Ungarn, da er diese Option nicht einmal im Zuge der heiligen Liga 1571 in Erwägung zog (4).
Dieses Vorgehen der heiligen Liga gegen die Osmanen lag einer gesamtchristlichen Idee, eines Vorgehens auf Land- und Seeweg zugrunde. Am 20. Mai 1571 wurde diese Liga zwischen Papst Pius V, Spanien, Venedig, Genua, dem Herzogtum Savoyen, Parma, Urbino und Florenz geschlossen. Die ursprüngliche Überlegung der Gründung war die Rettung Zyperns vor einer osmanischen Eroberung, um die Vormachtstellung im Mittelmeerraum nicht zu verlieren. Da Zypern jedoch bereits im August 1571 erobert wurde kam diese Rettung zu spät, die heilige Allianz konnte jedoch einen Sieg gegen die osmanische Flotte in der Seeschlacht von Lepanto erringen. Dieser Sieg wurde diplomatisch nicht ausreichend ausgenützt, womit die Türken die Vormachtstellung am Mittelmeer behielten. Ein Grund für die weitere Inaktivität der heiligen Allianz nach der Seeschlacht von Lepanto war der Abzugs Spaniens, um den Krieg in Tunesien zu unterstützen(5). Das hl. Römische Reich verharrte lieber in seinen alten Friedensabkommen mit dem osmanischen Reich und schloss sich daher der heiligen Allianz nicht an. Frankreich mied den Beitritt, um seine guten Beziehungen zur Pforte nicht aufs Spiel zu setzen. Diese heilige Allianz ist trotz alle dem eine gemeinsame europäische Aktion zur Lösung des Türkenproblems, das auf einem christlichen Fundament aufbaut. Der Abzug Spanien, sowie dessen Beweggründe zum Beitritt, die Vormachtstellung am Mittelmeer zu gewinnen, bauten keinesfalls auf einer christlichen Solidarität auf. Dieses Ausbleiben wird durch die beiden wichtigsten weltlichen Vertreter der Christenheit, nämlich Frankreich und dem hl. röm. Reich, ein weiteres Mal bestätigt.
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(1) Ferdinand I: geb. 1503; gest. 1564; Regent der österreichischen Erblande ab 1521, König von Böhmen und Ungarn ab 1526; Kaiser des hl. Röm. Reich dt. Nation von 1558-64
(2) Bertrand Michael Buchmann, Österreich und das osmanische Reich. Eine bilaterale Geschichte, 1999 Wien; Die Dreiteilung Ungarns 98ff
(3) Bertrand Michael Buchmann, Österreich und das osmanische Reich. Eine bilaterale Geschichte, 1999 Wien; Neue Türkengefahr 1532; Seite 93ff
(4) Almut Höfert; Den Feind beschreiben, „Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanisches Reich 1450-1600; 2003 Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main; Seite 112f
(5) Ekkehard Eickhoff, Rudolf Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645-1700, 1970 München
franzzobl - 31. Jan, 12:13