Fazit – Einheit vs. Macht

Der europäisch/abendländische Einheitsbegriff entwickelte im Zuge der Türkenbedrohung eine Bedeutung für Weltlichkeit sowie Geistlichkeit. Wie erläutert basierte das Zusammengehörigkeitsgefühl des Einheitsgedankens auf dem Christentum, welches sich durch die Türken vom Islam bedroht fühlte. Für über 200 Jahre standen sich Islam und Christentum feindlich am europäischen Kontinent gegenüber und erweiterten dadurch auch die kulturellen Einflüsse auf Europa.
Sowohl Luther als auch die Päpste der frühen Neuzeit sahen die Türken als eine Geißel Gottes und eine apokalyptische Bedrohung (1). Somit wurden die osmanische Bedrohung unabhängig von der Konfession als eine Gefahr für das Christentum gesehen, der Basis des Einheitsgedankens. Im Zuge der Türkenbedrohung wurde ein einheitliches Agieren der Reichsstände, durch Türkensteuern und „eilenden Türkenhilfen“, möglich, was die Erkenntnis einer gemeinsamen Aufgabe der Verteidigung der Christenheit voraussetzt. Der Kaiser des hl. röm. Reichs musste jedoch den protestantischen Reichsfürsten Zugeständnisse zuweisen um deren finanzielle und materielle Hilfe zu erlangen. Kurzfristig gesehen könnte dies eine Stellung der christlichen Einheit über innereuropäische Konflikte beweisen. Davon abgesehen, dass ein Großteil der Gelder, die durch Türkensteuern eingetrieben wurden nicht für die Türkenabwehr investiert wurden, steht auch die christliche Solidarität zwischen der weltlichen Ausübung des Einheitsgedankens und deren Ausnützung in Frage. Ein selbstloser Einsatz einer europäischen Macht zur Verteidigung Europas ohne machtpolitische Hintergedanken hat nicht stattgefunden. Die Habsburger zogen beispielsweise nicht gegen die Osmanen, als sie Ungarn bedrohten, sie versuchten vielmehr das Machtvakuum für ihre Expansionspläne auszunutzen. Erst als die Türken eine direkte Bedrohung für sie darstellten wurden militärische Interaktionen vollzogen, womit die Existenz europäische Solidarität auf politischer Ebene verneint werden muss.
Die Beobachtungen unterer Gesellschaftsschichten zeigten, dass die politische Propaganda mit Hilfe des Einheitsgedankens teilweise Erfolg brachten. Je weiter sich diese Propaganda von der Kriegsgrenze entfernte, desto geringer war die Beteiligung, was wiederum gegen eine gesamteuropäische Solidarität spricht.
Folglich komme ich zu dem Schluss, dass ich die in der Einleitung angeführte Frage, ... ob der Begriff des Abendlandes/Europas ein Mittel der Machtlegitimierung war, der in den Köpfen existierte, aber für eine politisch/weltliche Umsetzung sich als nicht tragbar erwies und somit weltliche Einflüsse den Einheitsbegriff immer wieder in den Schatten stellten? ... bejahen muss und um eine propagandistischste Ausnützung des Einheitsgedankens für andere Zwecke erweitere.
Das zuletzt angeführte Beispiel eines europäischen Friedensplans, der schon einige Elemente einer europäischen Gemeinschaft, so wie wir sie heute vorfinden beinhaltet, zeigt uns, dass der Gedanke eines einheitlichen Europas in manchen Kreisen Platz fand, doch war jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Der von dem Franzosen Sully entwickelte Plan nützt diesen Einheitsgedanken aus, um eine europäische anti-habsburgerische Politik zu legitimieren, was das Königreich Frankreich natürlich unterstützte.
Es lässt sich eine allgemeine Tendenz herauslesen, die den religiösen Einheitsgedanken auf diverse weltliche Möglichkeiten umsetzt, aber immer nationale machtpolitische Ziele damit verfolgt werden, die nicht primär einer europäischen Solidarität dienten, sondern diese in manchen Fällen bloß einen Nebeneffekt darstellte, der wiederum für propagandistische Zwecke ausgebeutet werden konnte.
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(1) Die Predigt der Akopalyptik wurde am 5. Laterankonzil unter Julius II verboten. Die Deutung der Türken als Geißel Gottes blieb jedoch bestehen.

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