Sullys „Grand Dessein“ – Frieden durch Krieg ?

Neben Rechilieu und Crucé entwickelte auch Heinrich IV einen Friedensplan. Wodurch der Plan Heinrich IV, auch den „Grand Dessein“ genannt, jedoch für meinen Artikel von besonderer Bedeutung wird, ist die spezielle Zentrierung Europas, wohingegen Richilieu und Crucé universelle Friedenspläne, übertragbar auf alle Fürstentümer, entwickelten. Der Europaplan wurde von Maximilian de Béthune, den späteren Herzog von Sully, einem engen Vertrauten und Minister Heinrich IV, der seinem Plan dem franzöischen König zuschrieb, entworfen. Daher ist dieser Plan für ein friedliches Zusammenleben in Europa auch unter dem Namen: „Le Grand dessein de Henry IV“ bekannt. Sully, er war Hugenotte, galt nicht nur als herausragender Politiker, der selbst vor dem König seiner Meinung freien Lauf lies, sondern auch als Vertrauensmann der Protestanten in Frankreich, speziell England, und ganz Europa.
In Folge der Türkengefahr des 17. Jahrhunderts vertrat Sully eine sehr offensive Meinung der Befürwortung. Ein Krieg gegen die Türken ist alleine durch ihre Andersgläubigkeit gerechtfertigt. Daraus ergibt sich bereits eine starke Verbundenheit dieses Europaplanes zum christlichen Glauben. Sullys Ziel war die Geburt einer europäisch christlichen Republik, wo Menschen in Frieden leben können. Dieser Europaplan weist jedoch bei genauerer Betrachtung neben dem christlichen Friedensgedanken auch andere Motive auf. Um diese belegen zu können ist eine genauere Betrachtung erforderlich.
Ausgangspunkt für Sullys Überlegungen ist das Rucellais Gleichgewicht: Jeder Versuch der Unterwerfung, jede zu große Macht des einen oder anderen Staates innerhalb der Christenheit, jedes Streben zur Weltmonarchie wird immer eine Chimäre bleiben; für nützlich – ja notwendig – ist das Gleichgewicht (1). Nach Sully’s Ansicht sollte Europa bestehen aus:
· 5 Wahlmonarchien: dem Römischen Reich Deutscher Nation, dem Kirchstaat, Polen, Ungarn und Böhmen,
· 6 erbliche Monarchien: Frankreich, Spanien, England, Dänemark, Schweden und der Lombardei
· 4 souveräne Republiken: Venedig, Italien, Schweiz, Belgien.
Es werden bereist europäische Institutionen (2) sowie Handelsfreiheit und Zollfreiheiten genannt. Besonders für den Frieden Europas ist ein Gleichgewicht an Oberfläche und Reichtum der Staaten von Bedeutung, genauso wie die Gleichberechtigung der drei Religionen, der katholischen, lutherischen und calvinistischen.
Es fällt in diesem Plan jedoch auf, dass in ihren Grundfesten vom Hause Habsburg keine Rede ist. Laut Sully sind die drei wichtigsten Kriegsgründe (3):
1) Die Lasterhaftigkeit der menschlichen Natur (4)
2) Die Spaltung der Christenheit in verschiedene Konfessionen
3) Das Haus Habsburg
Daraus ergibt sich eine neue Vorraussetzung, nämlich den Sieg einer Koalition über das Haus Habsburg, das durch ihre Größe nicht in das Machtgleichgewicht Europas passen würde. Somit entpuppt sich der Friedensplan Sullys als ein Kriegsplan gegen die Habsburger, den Erzfeind Frankreichs. Dies zeigt wieder einmal, dass der religiös christliche Einheitsgedanke Europas auf die machtpolitische Ebene nur schwer übertragbar war und somit die Schwächung der Habsburger in diesem Fall über dem Gedanken der europäischen christlichen Republik stand. Diese Annahme wird auch durch die formale Struktur der „Grand Dessein“ gestützt. Die „Grand Dessein“ als kompaktes Gebilde ist nämlich äußert fragwürdig, da sie aus verschiedenen Teilfragmenten besteht, die sich teilweise gegenseitig wiederlegen. Weiters spricht auch der religiöse Aspekt für eine machtpolitisch dominierende Ebene, da ein englisch-französisches Bündnis trotz der konfessionellen Unterschiede gegen das Hause Habsburg geschlossen wurde. Die Habsburger als Vertreter der katholischen Kirche wäre aus religiöser Sicht ein Glaubensverbündeter Frankreichs, im Gegensatz zu England. Daher wird noch einmal deutlich, dass weltliche Machtverschiebungen gegen Habsburg wichtiger waren als religiöse Aspekte.
Sully hat auch die türkische Bedrohung für seine christliche europäische Republik miteinbezogen. Zur Friedensicherung soll ein konstantes europäisches Heer aufgestellt werden, das einheitliche Bedrohungen wie die Türkengefahr abwehren sollte. Einer besonderen Rolle treffen auf die Wahlmonarchien Polen und Ungarn, denen eine Abwehrrolle gegen die Türken, Tataren und Moskowiter trifft. Bei Angriffen und ernsten Bedrohungen sind alle Bündnismitglieder zum militärischen Beistand verpflichtet. Es ist jedoch zu betonen, dass der Entwurf dieses Friedensplans nicht auf einer einheitlichen äußere Bedrohung beruht, die den christlichen Glauben in Europa gefährdet, sondern auf einem habsburgerischen Machtüberschuss im europäischen Staatenkonzept. Dies stützt wiederum die These, dass der bestehende christlich-europäische Einheitsgedanke auf die weltliche Ebene der FNZ nur schwer übertragbar war und in diesem Fall nicht der Ursprung der Überlegungen war, sondern ein Instrument zur Legitimation darstellte.
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(1) Vier historische Betrachtung, Carl J. Burckhardt, Sullys Plan eine Europaordnung, Seite 24f
(2) Über diesen Staaten soll ein Europarat wachen, der aus sechs provinzialen Räten und einem allgemeinen Rat bestehen soll.
(3) Anja Victorine Hartmann, Rêveurs de Paix?, Friedenspläne bei Crucé, Richelieu und Sully ; Hamburg 1995 ; par. 56
(4) Die vier bedeutensten Laster sind: L’envie (die Lust), l’anvarice (der Geiz), l’ambition (der Ehrgeiz), l’vanité (die Eitelkeit/Einbildung).

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